Applaus, der [m.]

Als Applaus wird das rhythmische Gegeneinanderschlagen der Handinnenflächen bezeichnet, welches vom Publikum nach Ende eines öffentlich aufgeführten Werkes kollektiv ausgeführt wird. Als kollektives Phänomen entstand der Applaus erst im Zuge der Uraufführung von John Cages 4’33“ im Jahr 1952, als das Publikum nach einer Möglichkeit suchte, die peinliche Stille nach der Darbietung zu durchbrechen. Aus früheren Zeiten berichten Zeitzeugen von gelegentlichen Slow Claps etwa nach den Uraufführungen von Bachs Matthäus-Passion oder Beethovens 9. Sinfonie.

Es werden im Allgemeinen vier Haupttypen von Applaudierenden unterschieden:

  • Der Bravo-Rufer ist eine Spezies, die sich durch das Ausrufen des Wortes „Bravo“ auszeichnet. Er macht oft zwischen 5 und 30 Prozent des Publikums aus und tritt besonders häufig nach Solokonzerten mit attraktiven Solierenden sowie nach Sinfonien mit einer Länge von mehr als 30 Minuten auf. Dabei lässt er sich in zwei Hauptgruppen unterteilen:
    • Der gemäßigte Bravo-Rufer schmettert 1 bis 5 „Bravi“ in den Saal, um seiner Begeisterung Ausdruck zu verleihen.
    • Der stürmische Bravo-Rufer, auch Zerstörer genannt, durchbricht die Stille nach einem bevorzugt ruhigen Schluss. Man betrachte als Beispiel den Schluss von Wagners „Tristan und Isolde“ ab ca. Min. 6:47 sowie den gequält aufgeschreckten Gesichtsausdruck des Dirigenten Daniel Barenboim bei Min. 6:54:

 

  • Der Normal-Applaudierer ist die am häufigsten vorkommende Spezies. Er applaudiert moderat, wobei die Frequenz der Handinnenflächenberührungen sowie sein Gesichtsausdruck variieren können, dabei aber weder besondere Euphorie noch Enttäuschung erkennen lassen. In der Masse tritt er nach durchschnittlich dargebotenen Stücken sowie nach Opernouvertüren auf.
  • Der Wenig- bis Nicht-Applaudierer ist eine seltene Spezies. Er zeichnet sich dadurch aus, dass er entweder nur leichtes, bemühtes oder abfälliges Klatschen ausübt oder es gar nicht erst bis zum Applaus kommen lässt. Dabei sitzt er entweder regungslos an seinem Platz oder verlässt den Saal bereits unmittelbar nach Verklingen der Musik in Richtung Garderobe. In der Masse tritt er nach besonders schlechten Darbietungen auf, faktisch ist er aber nicht existent.
  • Der Mitleids-Applaudierer steht oft in einem direkten verwandtschaftlichen Verhältnis zu einem der Darbietenden und applaudiert einer an sich unterirdischen Leistung aus Mitleid. Beispielhaft seien hier Eltern genannt, die bei einem Schulkonzert der Aufführung des Blockflötenensembles oder sonstigen Totalblamagen beiwohnen müssen:

 

Sebastian Herold

Studiert Musikwissenschaft (M.A.) in Mainz. Würde nur promovieren, um seine Mitmenschen dann stets mit gönnerhafter Miene aufzufordern, sie mögen "den Doktor doch weglassen".

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