KLANGRAUSCH oder Wenn das Bier alle ist…

Leider ohne Ton, Foto: Bildfang Fotografie

 

Musikvermittlung!

Wer jetzt noch dabei ist, ist einer von den ganz harten, Glückwunsch! Der Ansatz ‚Musikvermittlung‘ ist zwar ein ganz toller, nämlich der, Menschen für gute (oft verwechselt mit klassischer) Musik zu begeistern. Aber viel zu oft ist der Begriff mit so viel Staub und Stock-im-Arsch und gönnerhafter Philantropie-Attitüde beladen,… erstaunlich, wie das alles in ein Wort gepackt werden kann.
Mit ein paar wunderbaren Mitstreitern zusammen habe ich in diesem Sommer in Saarbrücken eine WG-Party organisiert. Die Idee dahinter ist simpel. Wir verbinden zwei Dinge, die wir sehr gerne mögen: Klassik & Bier. Oder eben KLANGRAUSCH.

 

KLANGRAUSCH, Foto: Rieke

KLANGRAUSCH, Foto: Bildfang Fotografie

 

Exkurs Musikvermittlung

Es ist ja so: Seit einigen Jahren geht es in der Klassikwelt hoch her. Brauchen wir mehr oder weniger Orchester(musiker)? Wird unser Publikum weniger/älter/konservativer? Und: Kann endlich mal das Husten in Konzerten unter Androhung von Waterboarding gestellt werden??

Die Orchester und Opernhäuser haben langsam kapiert, dass die Leute nicht mehr „einfach so“ ins Konzert oder Theater kommen. Das liegt daran, dass
a) Kulturveranstaltungen im Über-Freizeitangebot gnadenlos untergehen und b) die Menschen erst einmal wissen müssen, um was für ein tolles Liveerlebnis es da eigentlich geht. Erst dann ist es ihnen möglich, später eine Entscheidung treffen zu können: „12 Bier in der Eckkneipe? Oder ’ne Mahler-Sinfonie? …und danach 12 Bier in der Eckkneipe?“. Das Angebot an Musikvermittlungsprogrammen ist daher seit dem Boom vor etwa zehn Jahren kontinuierlich weiter angestiegen. Inzwischen bewegt sich das Verhältnis zwischen Sinfoniekonzerten und musikpädagogischen Veranstaltungen etwa bei satten 1,5:1. Ein Anzeichen dafür, dass verstanden wurde, dass man sein eigenes Publikum auch generieren muss. Das Ergebnis ist in manchen Fällen aber immer noch väterlich-altklug bis unbeholfen-staksig.

Wenn der Berg nicht zum Propheten kommt,…

Unser Ausgangspunkt war also folgender: Musikvermittlung darf nicht gezwungen wirken. Begeisterung für Musik sollte von innen kommen. Wir können nur etwas in lockerer Atmosphäre anbieten und versuchen, dafür Interesse zu wecken. Und was würde da besser passen als eben eine WG-Party? Besser gesagt eine Doppel-WG-Party auf zwei Stockwerken!

Von 9 bis etwa 1 haben vier kammermusikalische Ensembles (alles irgendwie Musikstudenten) immer wieder in kleinen, maximal halbstündigen Happen etwas von ihrem Können zum besten gegeben. In (fast) allen Zimmern. Außer dem Bad, da war der Bierkühlraum und -ausschank. Und was soll ich sagen: Die Leute sind der Musik hinterher geströmt! Sie waren begeistert, hatten Spaß, haben fasziniert gelauscht, ihr Bier getrunken und Zwischenapplaus für gelungene Soli spendiert. Eine der schönsten Anekdoten – außer der, dass ich als Gastgeber viermal gefragt wurde, ob ich hier auch keinen kennen würde, BÄM! – hat mir Sophie (auch beim KLANGRAUSCH-Team) erzählt: zwei ihrer Freundinnen, die Psychologie studieren, standen beim Rauchen im Treppenhaus und haben, als sie gehört haben, dass es irgendwo wieder Livemusik gibt, ihre halb gerauchten Zigaretten sofort ausgedrückt, weggeworfen und sind den Klängen hinterher! Und danach gab’s dann mit Lukas Manke aka DJ Teletext (@tele_text) doch noch feine Musik aus der Konserve zu Bewegtbildern aus Tosca und Götterdämmerung, die wir via Beamer an die Wand geschmissen haben.
Die Resonanz war von allen Seiten sehr positiv: Die feierwütige Meute hat sich durch die Livemusik nicht belästigt oder belehrt gefühlt, sondern unser ungewöhnliches Konzept mit viel Begeisterung belohnt. Die Musiker fanden es schön, (in ungewohnter Atmosphäre) einfach mal drauf los spielen zu können und nicht wie sonst jeden Ton auf Perfektion trimmen zu müssen. Spielfreude ist vermutlich das richtige Wort! Einziges Manko: Uns ist um halb vier leider das von Bruch gesponsorte Bier ausgegangen. Klassische Musik macht anscheinend durstig.

Und bevor ich hier zu viel schreibe und ihr euch das alles gar nicht vorstellen könnt, gibt’s jetzt drei Minuten Eindrücke von KLANGRAUSCH 2014. Film ab!

 

Philipp Krechlak

Intelligent, charmant, gut aussehend, sportlich, aber vor allem eins: bescheiden. Exilschwabe, zunächst im Saarland, jetzt in der (Kur)pfalz. War naiv genug zu glauben, dass mit dem Ende des Studiums (Wirtschaftsmathe in UL, Musikmanagement in SB) und dem Arbeitsalltag (Orchestermanagement in LU, jetzt MA) der Ernst des Lebens beginnt.

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