Titten Teil 1

Provokation ist ein gern genutztes Mittel in der Musik, um einerseits auf soziale Missstände aufmerksam zu machen, allerdings auch um mediales Aufsehen zu erregen. In den letzten dreißig bis fündunddreißig Jahren, in denen Musikvideos an Bedeutung zunahmen, wandelten sich natürlich nicht nur der Stil und die Mittel, mit denen die Filmchen produziert wurden, sondern auch die Ansichten, politisch als auch sozial.

Die Herangehensweise kann sehr unterschiedlich sein. Wohingegen in den Achtzigern viel Aufsehen durch den Kleidungsstil in Kombination mit schwierigen gesellschaftlichen Themen erregt wurde, kann uns heute stilistisch kaum mehr was umhauen. In den Neunzigern wurden vermehrt politisch umstrittene Themen dargestellt und aufwändig inszeniert.

Während damals viel umspielt und zwischen den Zeilen erzählt wurde, bringt es heute der Text schon genauer auf den Punkt. Gepaart mit einigen mehr als halbnackten Frauen ist das Aufsehen garantiert, schocken tut uns das aber bei Weitem nicht mehr. Im Gegenteil: Generell drängt sich mir der Gedanke auf, dass sich die Idee eines kontroversen Musikvideos von der Kritik an der Gesellschaft sehr zur blanken Provokation gewandelt hat. Vielleicht kommt dieser Eindruck aber auch nur durch eine erhöhte Aufgeklärtheit gegenüber früher sehr umstrittenen Themen wie Homosexualität, Religion und Rassismus. Ein anderer Grund wäre, dass wir Neunziger Kinder noch mit VIVA und MTV aufgewachsen sind. Ist die Musikvideo-Branche auf einem so absteigenden Ast, dass gilt: Aufsehen um jeden Preis?

Um den Sex Sells Faktor zu bewerten, findet ihr gleich im Anschluss an jedes Video ein Rating zur Provokation durch schlichtes blank ziehen.

Teil 1: Die 80er Jahre 

Duran Duran – Girls on Film (1981)

Im Fall von Girls on Film erreichte Duran Duran genau den erwünschten Effekt. Der Song wurde bereits vorher im Radio gespielt und erreichte einen der Top Plätze. Die Veröffentlichung des Videos, einige Zeit später, garantierte der Band einen Platz in den Charts und stete Aufmerksamkeit in der Branche. Das unzensierte Video zeigt die volle Bandbreite an Fetisch und BDSM Praktiken, mit sagen wir mal, einfallsreichem Kostüm und war ursprünglich dazu gedacht, in Clubs gezeigt zu werden. Selbst die BBC bannte den Clip, obwohl der neu eingeführte Musiksender MTV, der sich in den späteren Achtzigern als eher “konservativ” herausstellen sollte, die zensierte Version zeigte.

Rating: 85 DD

 

Queen – I want to break free (1984)

Was uns heute als amüsant erscheint war in den Achtzigern eine handfeste Kontroverse. Als ich mir das Video nach langer Zeit wieder ansah, musste ich schon nach den ersten Sekunden grinsen. Freddie Mercury mit Schnurrbart und falschen Brüsten, ein tolles Bild!

Obwohl es weltweit noch was nachzuholen gibt, sind Homosexuelle, zumindest bei uns, voll anerkannt. Ihre Liebe wird akzeptiert und toleriert, auch Clubs wie das Berghain* sind beliebter denn je. Das war allerdings nicht immer so und zumindest wir, als aufgeklärte Menschen, neigen dazu, die Toleranz als selbstverständlich zu sehen. Der Clip zeigt eine Parodie zur Serie Coronation Street aus Großbritannien. Während die Platte in Großbritannien gut angenommen wurde, entschied MTV, das Musikvideo in den USA zu bannen. Obwohl das Video gar nicht offenkundig als Anstoß zur Provokation gedacht war, wurde es durch den Boykott nur noch mehr in Frage gestellt. Queen kann sich wohl selbst auf die Schippe nehmen, nicht doch die Vereinigten Staaten…

Rating: 95AA

*Berghain: Zusammensetzung aus KreuzBERG und FriedrichsHAIN, Berliner Techno-Nachtclub mit fiesem Fotografen-Türsteher und ewig langen Schlangen. Berühmt berüchtigt. Darkrooms, Urinbecken als Kunstwert etc.pp.

 

Serge Gainsbourg – Lemon Incest (1984)

Wie der Name es schon impliziert war für Gainsbourg ein Skandal vorprogrammiert. Charlotte, seine damals zwölfjährige Tochter wälzt sich mit ihrem Vater in einem Bett während sie von einer Beziehung zwischen einem Erwachsenen und einem Kind singt. Dadurch, dass der Clip einen sehr autobiografischen Anschein macht, wurde Serge beschuldigt im Song, wie auch im eigenen Leben Pädokriminalität und Inzest zu verherrlichen.

Rating: 65A

 

Madonna – Like a Prayer (1989)

Madonna – schon als junge Künsterin nutzte sie jede Gelegenheit um sich und ihre Musik ins Rampenlicht zu rücken.

Ähnlich bei Like a Prayer. Von Anfang an war der Clip geplant um Aufmerksamkeit zu erregen, es sollte das provokativste Video werden, dass sie jemals veröffentlicht hat. Und genauso war’s auch. Die noch mehr als nur spärlich bekleidete Madonna verehrt einen farbigen Heiligen, brennende Kreuze und rutschende BH-Träger. Weltweit gehen kirchliche Organisationen auf die Straße und Madonna’s gut bezahlter Deal mit Pepsi, die auch ihre Tour mitfinanzieren sollten, platzt.

Doch einmal angefangen, kommt sie erst so richtig im Fahrt. Dazu dann mehr in den 90ern, dem zweiten Teil dieser Reihe.

Rating: 75B

Isabelle Mann

hat im letzten Jahr ihr Studium zur Modedesignerin in Berlin beendet und tingelt jetzt von Praktika über Kostümbildnerjobs zu Assistenzen und wieder zurück. Die Abwechslung zählt! Zwischendrin wird immer irgendwie eine Reise reingequetscht, musikalisch reicht das von Goa Trance über argentinischen Tango bis hin zu kubanischem Salsa. Meine private Playlist ist doch relativ umfangreich und umfasst fast alles, außer Helene Fischer! Und dann wär da noch Papa’s Plattensammlung die ich aufzuarbeiten versuche und die, dem Plattenladen gegenüber sei dank, auch fleißig wächst.

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