Liebe Oper,

wir müssen reden. Der schlimmste Satz in jeder Beziehung und ja, genau da müssen wir jetzt durch. Ich schreibe dir. Denn ich bringe den Mut nicht auf, es dir zu sagen. Verstehe es nicht als Rechtfertigung oder Entschuldigung. Vielleicht fällt es uns so leichter, es durchzustehen. Vielleicht auch nicht. ‘Freunde bleiben’ machen eh nur Psychopathen, sagt die Wissenschaft. Es liegt nicht an dir, sondern an mir. – Noch so’n alberner Satz. – Es ist vorbei. Dieses Mal endgültig, obwohl es mit uns beiden noch nicht einmal etwas Ernstes war.

Wir kennen uns schon lange und hatten auch keine schlechten Voraussetzungen. Ich falle voll in dein Beuteschema und du in meins: Nerd, Geek & Freak mit absurden Hobbys, exzentrisch und sehr von sich selbst überzeugt. Ich kann mich nicht mehr erinnern, wann wir uns das erste Mal begegneten, aber ich hatte schon immer viel von dir gehört. Ich meine, dass du bei einer unserer ersten Begegnungen mir von dieser saarländischen Liebesgeschichte erzähltest. Ich war noch jung und wusste nicht, was du mir damit sagen wolltest. Vielleicht wolltest du mir auch gar nichts sagen, sondern einfach mal ins Gespräch kommen. Aber ich verstand dich nicht. Andere sagten mir, dass ich vorher Beziehungsführer lesen sollte, so könne auch nichts aus uns werden. Das fühlte sich falsch an und ich verweigerte mich. Ich wollte dich. Pur. Ohne Präservativ, ohne Interruptus. Einfach nackt. Doch der Riss in unserer Beziehung war da und unsere Wege gingen, bis auf die kurze Affäre, als ich unbedingt deine Zauberflöte sehen sollte, auseinander. Du fehltest mir nicht und du hast dich doch auch nur aus Höflichkeit an Weihnachten gemeldet.

Seit zwei Jahren lebe ich nun in einer Stadt, in der du des Öfteren absteigst und seitdem sehen wir uns wieder beinahe regelmäßig. Ich wollte so gerne, dass es was Ernstes zwischen uns wird. Ich wollte ehrlich berührt werden. Mit dir nachdenken und lachen können. Dich wiedersehen, vertraut sein, und doch immer wieder Neues an dir entdecken. Doch irgendwas fehlte. Trotzdem wollte ich dich nicht einfach gehen lassen. Es nicht bei dieser Oberflächlichkeit belassen. Heute gebe ich auf. Obwohl unsere vier Wochen im August letzten Jahres ganz schön innig waren. Und wenn du es russisch machst, kann ich dem auch was abgewinnen. Aber wenn du das Setting, das Vorvorvorspiel mit Erdbeeren und Sekt, das Spielzeug, die plauschigen Vorhänge und den albernen Teppich etc. weglassen würdest, gefiele es mir besser. Du hast sowieso einen Hang zu seltsamen Schlafzimmer-Einrichtungen, die dann während des Aktes kaum einbezogen werden. Was soll das? Zudem die ganzen Rollenspiele, der Aufwand, das Pompöse und Aufgebauschte? Ich weiß, dass all das zu dir gehört. Aber für mich ist es wie eine feste Mauer, ein Schutzmantel, den ich nicht durchdringen kann.

Ich kann dich nicht mehr ertragen. Ich fühle mich völlig fehl am Platz, unverstanden und unwohl in deiner Gegenwart.

Ich habe es echt versucht. Das weißt du. Ich habe mich gekleidet, wie es dir gefällt. Ich habe versucht deine Sprache zu lernen. Habe deine Freunde kennen gelernt und versucht, mit ihnen klar zu kommen. Manche meiner besten Online-Freunde sind deine Freunde. Wenn man in anderen Beziehungen erst abwartet bis man sich sicher ist, stellte ich mich gleich deiner Familie vor. Ganz oder gar nicht. Doch egal, was ich tat, sie mäkelten nur an mir herum. Ich bin ihnen zu laut, zu jung, zu naiv, zu ungebildet für dich und überhaupt. Ich hatte nie das Gefühl, dass du es von mir erwartest. Du wirkst auf mich eigentlich zuweilen politisch, kreativ, poetisch, laut, leise, liebenswert und kritisch. Deine Familie wollte das nicht hören. Sie nehmen dich doch gar nicht wie du bist. Reden sich ein, dass du eigentlich immer noch so bist wie früher.

Das alles finde ich falsch und ich kann so keine Basis für uns finden. Nein, ich verlasse dich nicht wegen Neue Musik. Sie wäre gewillt eine Ménage-à-trois zu führen. Sie vermag, was du nicht kannst: mich berühren, mich überraschen, mit mir diskutieren, mich nachdenklich machen, mit mir lachen. Du kannst mir vorwerfen, dass es so wäre, als hätte Helene von Bayern Kaiser Franz Joseph abgelehnt und wäre dafür mit Marius Müller-Westernhagen abgehauen. Denn genau so ist es. Du wirst bestimmt Recht damit behalten, dass es nur irgendein Komplex ist, dass ich sie langfristig langweilen werde und sie mir schließlich das Herz brechen wird. Aber das ist es mir wert. Und sie spricht deutlicher (sic!) und kommt in 3 Minuten auf den Punkt, was du in 3 Stunden noch nie geschafft hast.

Ich lasse es gut sein.

 

In “Liebe”

Deine Juana

Juana Zimmermann

Tut heute dies, morgen jenes. Morgens schlafen, nachmittags Wissenschaft betreiben, abends schreiben, nach dem Essen kritisieren, wie ich gerade Lust habe, ohne je Schläfer, Wissenschaftler, Autor oder Kritiker zu werden.

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7 Antworten

  1. Huflaikhan sagt:

    Clayder machen Leute. Plüsch gehört zur Wohnzimmergarnitur. Und so ist das in der Oper auch. Du musst halt warten, bis das Licht aus ist.

    • Juana Zimmermann sagt:

      So läuft das? Das steht weder in meinem Beziehungs- noch in meinen „Beziehungs“ratgebern drin. Gilt hier auch ‚dumm fickt gut‘? Vielleicht gehe ich das ganze grundsätzlich zu sapiosexuell und möchtegernintellektuell an.

  2. Ah The Jot sagt:

    Tschaikowskis Dornröschen ist ein Ballett und keine Oper. Oder geht es hier allgemein um Mehrspartentheater?

    Das Drumherum der Oper ist natürlich ein Magnet für substanzfreie High-Society-Selbstdarsteller, das ist richtig erkannt. Deswegen auf die Meisterwerke von Verdi, Wagner, Mozart, Mussorgski, Strauss, Britten etc. zu verzichten… ist… nunja, hoffentlich nur die persönliche Entscheidung der Autorin und keine allgemeine Empfehlung.

    • Juana Zimmermann sagt:

      Dornröschen ist ein Ballett. Witzig. Gut zu wissen. (Falls Sie gut recherchierten, hintergründigen Journalismus suchen, würde ich bild.de, bunte.de, etc. empfehlen 😉 )

      Grundsätzlich sind hier alle Beiträge niemals Privatmeinung oder persönliche Entscheidungen. Wir sehen das hier eher als vorletzten Schritt zur Weltherrschaft.

  3. Marc sagt:

    Liebe Juana,
    als Ex-Mitarbeiter Unter den Linden kann ich Dir sagen, dass dieser Trennungsbrief ungeöffnet in den Müll wandert. Sie steht auf Ältere und ist definitiv nicht Sapiosexuell.

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