Sind wir nicht alle Musikvermittler?

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Laut Ingrid Allwardt, Managerin der Akademie für Alte Musik Berlin, ist „Musikvermittlung heute einer der meistverwandten Begriffe im Musikleben“. In der Tat wird der Begriff immer öfter verwendet und jedes mal nervt er mich mehr. Genau wie bei den ähnlich inflationär gebrauchten Wörtern ,,Nachhaltigkeit’’ und ,,Innovation’’ verfehlt der Begriff „Musikvermittlung” mit jeder weiteren Verwendung seinen Sinn.

Denn Musikvermittlung ist ein sehr diffuser Begriff. Laut Definition soll sie Interesse und Neugier wecken und zum Verständnis von Musik beitragen. Meine Mutter hat mir früher Platten von Mahalia Jackson vorgespielt, laut ihr eine sehr hässliche Sängerin, die aber eine wundervolle Stimme hat. Das weckte natürlich zum einen mein Interesse und hat mir zugleich – pädagogisch wertvoll – vor Augen geführt, dass Musikalität nicht in Zusammenhang mit optischen Äußerlichkeiten steht. Mutti hat, ohne sich dessen bewusst zu sein, Pionierarbeit geleistet. Und das ohne 9 Semester Grundschulpädagogik oder einem Diplom in Kinderpsychologie.

Versteht mich nicht falsch. Natürlich ist es eine schöne Sache, wenn Kinder an Musik  herangeführt werden, insbesondere dann, wenn diese vielleicht nicht dem entspricht, was sie in ihrem normalen Umfeld zu hören bekommen. Es gibt tatsächlich viele tolle Projekte mit und für Kinder, die viele verschiedene Ansätze zum Thema Musik bieten. (Wie Laura in ihrem Artikel über Kinderkonzerte auch sehr schön erörtert.) Kinder erfahren etwas über die verschiedenen Instrumente, lernen den Unterschied zwischen Oboe und Geige. Wie klingt was und warum klingt es so? Alles supi.

Was mich daran stört ist die Tendenz, heute alles als Musikvermittlung zu deklarieren.

Eine Konzerteinführung: Musikvermittlung.

Ein Interview mit dem Interpreten: Musikvermittlung.

Ein Musiker kündigt auf der Bühne sein nächstes Stück an: Musikvermittlung.

Spricht man dann noch von ,,pädagogischen Ansätzen’’, freuen sich Eltern und die Verantwortlichen und klopfen sich gegenseitig auf die Schulter, wenn die Grundschullehrerin 6-Jährigen beibringt, im Takt zu klatschen. Bei Schlippenbachschen Werken wäre das sicherlich eine Meisterleistung, bei den üblichen binären Rhythmen allerdings für jeden Musikantenstadl-Schunkler keine große Sache. Oftmals bleibt es dann eben doch auch sehr oberflächlich. Musikvermittlung wirkt fast wie ein Auffangbecken für Künstler, die es nie so richtig geschafft haben oder Pädagogen, die ihre Musikkarriere nie so ganz aufgeben wollten. Das gibt mir natürlich Hoffnung, falls es mit meinen Zukunftsplänen nichts werden sollte.

Kindern etwas zu verkaufen, was für sie neu, spaßig und spannend ist, ist leicht. Mit dem nötigen Enthusiasmus kann man Kindern fast alles, zumindest für eine kurze Zeit, schmackhaft machen.

Ich habe letztens meinen beiden Neffen anhand eines einfachen Taschenspiegels einige grundlegende Dinge über Licht und deren Eigenschaften erklärt, ehe ich aufs Katzenklo umlenkte, das dringend einer Reinigung bedurfte.

Na und nun ratet mal?

Ein paar alberne Sprüche, ne raschelnde Tüte und auf einmal war Katzenklo sauber machen der Hit! Hätte ich dazu noch den Frühling von Vivaldis 4 Jahreszeiten gespielt und die Bröckchen und Würstchen passend zu den einzelnen Motiven aus der grauen Masse geschabt, ja, ich vermute, ich hätte es auch als Musikvermittlung bezeichnen können.

Marie Petters

Was Marie in ihrer Freizeit macht, welche Musik sie am liebsten hört und warum sie Nutella nicht mag ist unwichtig und wird hier deshalb ausgespart. Solltet ihr dennoch Fragen haben, könnt ihr ja eine von diesen neumodischen Mails schreiben.

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