#domt16 | Schöne neue (Musik)welt
Im Dönerladen spricht uns eine ältere Dame an:
“Gehören Sie auch zu den Musiktagen?”
“Ja, Und Sie?”
“Nein, nein! Ich wohne hier!!”
Genau so haben wir uns das vorgestellt, Vorurteil bestätigt. Hier “[treffen sich] einmal im Jahr alle bösen Menschen aus Mittelerde, um mal richtig die Sau rauszulassen” (Shoutout an alle Lord of the weed Fans und die, die es noch werden wollen). Die massig angereiste Fachwelt bringt für ein paar Tage (merkwürdiges) Leben in die Kleinstadt, dann ist der Spuk auch schon wieder rum. Die Ansässigen erdulden’s, die Nerds zelebrieren ihre zumindest hier heile Welt und freuen sich über offene Zuhörerohren.
“Das älteste Festival für Neue Musik” – so bezeichnen sich die Donaueschinger Musiktage selbst.
Klingt zunächst irgendwie widersprüchlich à la “Fighting for peace is like fucking for virginity”. Denn: Ist diese Institutionalisierung bzw. Verstetigung nicht der Todesstoß für eine Szene, die sich selbst als radikal, progressiv, avantgardistisch sieht oder sehen will? Noch allgemeiner: Ist nicht schon der Begriff “Szene” für die händeringend nach Profil und Personalstil suchenden Individual-Komponisten und Musiksprachen-Hipster Höchststrafe genug?
Nun gut, sei’s drum. Zu tiefschürfend wollen wir euch ja nicht zumuten. (Nach)denken ist gefährlich – tut in eurem Hirn weh und unseren auf Clickbaiting ausgelegten Blogartikeln…
Dieser Beitrag entsteht Samstagnachmittag (Bergfest!). Wer will, darf es Zwischenfazit nennen.
Wir schnuppern zum ersten Mal die Donaueschinger Festivalluft, sind bereits eine Weile vor Ort, die ersten Konzerte und Diskussionsrunden liegen hinter uns. Und wir stellen fest: Auch hier wird nur mit Wasser gekocht respektive mit klassischen Instrumenten musiziert. Auch hier gibt es scheiß Musik (jaaaaa, Geschmack, nachlassende Konzentration und steigender Pegel in Richtung late night-Konzerte). Und auch hier gibt es erstaunlicherweise Publikum, das die gesamte Palette drauf hat – vom unruhigen Flüstern (nicht stimmlos) über das auffällige Seufzen oder das Vergraben des Gesichts in den eigenen Händen bis zum Klassiker, dem Künstlerdiss schlechthin, dem fluchtartigen Verlassen des Saales beim Schlussapplaus, dem unnötigen Kampf um die pole position beim Ausparken (oder gibt es etwa krasse Aftershow-Partys, von denen wir nichts wissen?!).
Ist die Magie, der Ruf, der Donaueschingen vorauseilt – und auch uns angezogen hat – nur Fassade? Ein erster Antwortversuch würde lauten: nein.
Warum denn das jetzt bitte wieder?!
Das Komponieren, das Nachdenken, das Schreiben, das Ermöglichen, also generell das Beschäftigen mit Neuer, neuer und neuester Musik im stillen Kämmerlein ist gut und wichtig. Aber es gehört eben auch der (kreative) Austausch dazu, das Netzwerken (so sehr ich diesen Begriff und die dahinter stehende Einstellung “Ich rede mit dir, weil es mir etwas bringen könnte.” hasse), das Prüfen und Justieren des eigenen Standpunkts, und schlicht die Bestätigung: “We are anonymous. (But!) we are legion.” Wir haben doch ein gemeinsames Ziel: nämlich eine schöne neue Musikwelt, eine schöne Neue-Musik-Welt. Und wir teilen ein gemeinsames Interesse an der Sache, die da wäre: Relevante Kunst / geile Kunst / Kunst, die Spaß beim Hören macht.
PRAWDA!