Happy Birthday, Barbie!

Der blonde Kunststofftraum meiner Kindheit wird 60. An Geburtstagen werden doch gerne genierliche Texte verlesen. Herzliche Einladung dazu, die eigenen Barbies auf dem Dachboden zu besuchen, eine Party zu veranstalten und diese Gelegenheit / diesen Text dafür zu nutzen!

Meine ersten Assoziationen: pink, Glitzer, Mode, Plastikquatsch, untragbare High Heels und Fehlstellung der Füße, Wespentaille – und Wal-Mart Besuche mit meiner Mutter. So einen Konsumhöllen-Supermarkt gab es in meiner Mannheimer Vorstadt-Kindheit quasi um die Ecke. Inklusive McDonalds, der eine besondere Faszination ausübte, weil er nur an Kindergeburtstagen oder dank liebervoller Erziehungssabotage meiner Großeltern betreten wurden. Aber andere Geschichte.

In meiner 90er Jahre Kindheit gab es eine für mich sehr wichtige Tradition: Mutter machte den Wocheneinkauf (NUR Mama, weil mein Vater vermeintlich zu viel Schnickschnack in den Wagen packte – Pragmatismus war Frauensache). Ich erbettelte mir das Mitkommen regelmäßig. Natürlich nicht für Wiener Würstchen an der Fleischtheke oder um meiner Mutter beim Einkaufen zuzuschauen, nein!: Sondern, um von meiner Mutter in der Spielzeugabteilung geparkt zu werden, dort mindestens eine Stunde vor dem Barbie- und Barbie-Klamotten-Regal zu schmoren, hektisch mein Taschengeld zusammenzuzählen und dann… ohne Barbiekram nach Hause zu gehen, weil das Vermögen nicht ausreichte.

Irgendwann nutzten meine Eltern diese Not schamlos aus:

Um meine – Leidenschaft – für die Blockflöte zu entfachen und mich zum Üben zu nötigen (ähm– „motivieren“), wurde ein Stempelheft angelegt. Für jede halbe Stunde Blockflöten gab es einen Stempel. War das Heft voll, durfte ich mir im Ort meiner Sehnsucht ein Barbie-Kleiderstück aussuchen. Viel Blockflöte = viel Barbie.

Pädagogik für Fortgeschrittene.

Meinen Eltern erahnten nur nicht die Folgen ihrer Methode: ständiges Dauerflöten in unserer Wohnung. Alles für die Barbie!

Zum Glück hatte die Sache ein Happy End für alle Beteiligten: Ich wechselte irgendwann das Instrument zur Klarinette und tauschte die Barbie-Klamotten auf dem Schulhof-Schwarzmarkt gegen Diddl-Blätter. Im Nachhinein finanziell betrachtet ein schlechtes Geschäft.

Ob Barbie am Ende Mitschuld an meinem Musikstudium hatte? Vielleicht.

Drei Baribiepuppen

Foto: Barbara Boger-Conrad

Die Idee hinter Barbie ist grundsätzlich eine ganz interessante:

Bevor Barbie den amerikanischen Markt 1959 eroberte, gab es hauptsächlich kahlköpfige Babypuppen und Kleinkind-Nachbildungen als Spielzeug für Mädchen. Mit denen sollte die zukünftige Mutterrolle frühzeitig fleißig trainiert und eingeübt werden. JA, richtig gehört. Früh übt sich, wer eine anständige Frau werden will! Die Gründerin der Firma hinter „Barbie“ bespitzelte ihre kleine Tochter Barbara beim Spielen mit Papierpuppen. Die kleine Barbara – die Füchse und Fähen werden es sich schon gedacht haben – wurde später Namenspatronin der berühmten Puppe.

Experimentieren und „So-tun-als-ob“-Spiel gelten als wichtige Bestandteile im Prozess des Erwachsen-werdens. Und genau dafür benutzten kleine Mädchen damals eben Papierpuppen. Barbaras Mutter ging beim Spiel ihrer Tochter also ein Licht auf: Die Welt brauchte dringend eine ordentliche Plastik-Fashion-Puppe, mit der man die Welt der Erwachsenen nachstellen und für sich entdecken konnte. Wie meine persönliche Barbie-Erwachsenenwelt aussah, möchte ich an dieser Stelle besser nicht erzählen.

Die erste Barbie war übrigens im „Basis-Kaufpaket“ nur mit einem Badeanzug bekleidet. Natürlich deshalb, weil man so die Kinder dazu zwingen konnte, selbst in jedem Falle kreativ tätig zu werden und Barbie anzuziehen statt weiter auszuziehen. Auch ihre Beine ließen sich nicht spreizen, sondern nur anständig geschlossen bewegen. Blonde lange Haare, vollbusig, – und Proportionen, die ihr das Überleben als reale Person unmöglich machen würden. Im Bauch wäre zu wenig Platz für alle lebensnotwendigen Organe und die Taille ist so schmal, dass das Atmen unmöglich wäre. – Dies ist die Barbie-Grundausstattung. Übrigens basiert das Aussehen dieses Puppen-Grundmodells auf einem Comic, der in der BILD-Zeitung erschien. Ich finde, das erklärt einiges.

In den letzten 60 Jahren durchlebte Barbie einige Veränderungen. Man schuf der Blondine einen Haufen Freundinnen, Freunde und eine Familie, bei der ich ehrlich nicht ganz durchblicke. Ihre Eltern lernen wir nicht kennen, nur gefühlt zwanzig Geschwister und Schwipschwager. Im Freundeskreis tummeln sich mittlerweile die unterschiedlichsten Bevölkerungsgruppen, Haarfarben und Hauttöne, sowie eine Rollstuhlfahrerin. Mittlerweile gibt es Barbies mit Füßen, an die auch Sneakers passen. (Was eine bekloppte Vorstellung, an deine Füße passen nur High Heels…) und eine Reihe von Puppen mit anderen Körpermaßen, auch eine „Curvy“-Version. Barbie ist kinderlos und unverheiratet, führt aber bekanntlich eine Beziehung zu Ken.

In Plastik gegossener Blondinen-Dicke-Hupen-Witz? Naja, wenn man auf die Berufe schaut, die Barbie in den Jahrzehnten so ausübte, wirkt das doch anders – zum Beispiel: 1965 Astronautin, 1973 Chirurgin, 1992 Präsidentin, Rapperin, Tierärztin, Golferin, später Game Designerin, Pilotin…. Es gibt eine Barbie mit Kopftuch und eine ganze Kollektion zu Ehren bedeutender Frauen, unter anderem Frieda Kahlo – nur auf eine durchgängige Augenbraue hat man bei ihr dann doch verzichtet.

Ken gibt es mittlerweile im Set mit Waschmaschine (inklusive Schleuderfunktion). Aber natürlich gibt es auch ihn im Set mit aufregender Berufsausstattung. Vom Barista bis zum Ballettänzer.
Und man versuchte sich außerdem an einer Puppe mit Sprachfunktion, die auch noch die Unterhaltungen mit dem Kind aufzeichnet und in regelmäßigen Abständen an die Eltern versendet. Ganz neue Möglichkeiten für die Helikoptereltern dieser Welt. Auch für sonstige Kriminelle, deshalb ist diese Puppe in Deutschland nicht erhältlich.

Zum Schluss meiner Barbie-Geburtstagsrede möchte ich noch ein paar Fragen in den Raum werfen, die sich mir nach meiner Barbie-Recherche stellten und auf die ich (noch) keine Antwort weiß:

Warum hat Barbie keine Kinder? Hat das was mit ihren Berufen zu tun? Oder weil sie es so will? Oder liegt es einfach nur daran, dass weder Ken noch sie Genitalien besitzen? Was würde sie wohl zur Gender-Pay-Gap sagen? Ist es nicht egal, ob blond, brünett, große oder kleine Brüste – die seltsamen Geschichten beginnen in unserem Kopf? Und was hat Haarfarbe und Körbchengröße überhaupt mit dem Hirn zu tun? Wer erzeugt das größere Vorbild-Problem, eine kleine Puppe aus Plastik mit unrealistischen Körpermaßen oder Heidi Klum, die im Fernsehen ganz echte „Määäädchen“ begutachtet und für „zu dick“ erklärt? Wie sieht es mit gleichgeschlechtlichen Beziehungen im Barbie-Kosmos aus? Wie konnte Barbie es mit dieser Fuß-Fehlstellung so lange aushalten? (Die Sneaker-Version gibt es erst seit 2015…)

Achja. An dieser Stelle verzichte ich auf einen musikalischen Vortrag mit der Blockflöte. Gibt ja keinen Fleiß-Stempel mehr dafür!

 

(Der Text entstand für Spätschicht: Happy Birthday, Barbie! am Staatstheater Kassel. In ihm steckt sau viel Recherchearbeit, sodass mir das Vermodern auf meiner Festplatte superbescheuert vorkam.)

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