Wenn ich groß bin, arbeite ich in einem Blow-Job
Nunja. Nach meinem Yoga-Erlebnis der besonderen Art las ich ein paar Selbsthilfe-Bücher über Beziehungen, reflektierte mein Umfeld in Grund und Boden, und führte (als alte Hobby-Psychologin) eine ganz spezielle Beziehungsaufstellung durch:
Meine engste Beziehung führe ich gerade zu meinem Klarinettensatz, bestehend aus 2 Instrumenten. Beide liebe ich gleich heiß und innig. Meistens trage ich sie beide auf meinem Rücken durch die weite Welt – eine alleine zuhause zu lassen, fände ich ziemlich unfair. Selbst wenn ich wegfahre… (Na gut, ein bisschen kompensiere ich damit auch mein schlechtes Gewissen. Wenn ich schon nicht übe, trage ich die Dinger mindestens tagelang spazieren. Zum Trost und zur Selbstgeißelung.) Außerdem weiß man doch nie, wann man plötzlich Begierde nach DEM EINEN Instrument bekommt.
Vor kurzem habe ich Trottel mal den gesamten Inhalt meines Instrumentenkoffers unsanft auf den Boden entleert. Ich habe fast geweint vor Schock und Angst um meine Klarinetten (Drama, Baby!).
Mittlerweile sind die beiden Tröten besser versichert als mein eigener Hintern (ich bin ja auch nicht J-LO).
Mit diesen Instrumenten bin ich allerdings erst seit Mai liiert. Und ja, es war Liebe auf den ersten Ton. Eigentlich wollte ich meine alten Klarinetten aufpimpen lassen, beim Klarinettenbauer meines Vertrauens. Und plötzlich waren da eben DIE Anderen.
Der Trennungsprozess dauerte fast 4 Monate. Mittlerweile sind meine Verflossenen nach Augsburg gezogen und wieder glücklich vergeben. Scheinbar also darüber hinweg gekommen, dass ich mich einfach für etwas Jüngeres entschieden habe. (Man munkelt, Ex-Stalking ist bei Musikinstrumenten wesentlich schwieriger als bei echten, männlichen Menschen-Exemplaren. Instrumente haben meistens noch kein Facebook-Profil, auf dem man die entscheidenden Infos recherchieren kann.) Mit meiner spontanen Entscheidung bin ich auf jeden Fall sehr glücklich, auch wenn es manchmal zwischen uns nicht leicht ist. Aber dafür habe ich ja einen Paartherapeuten, der von der Musikhochschule dafür bezahlt wird, jede Woche in dieser Beziehung zu vermitteln oder zu schlichten.
… und dann kommt eben noch meine Bassklarinette ins Spiel, dieses Luder. Wie schon erwähnt, ist die Bassklarinette meine tiefe Leidenschaft. Unsere Beziehung ist aber eher eine lockere, dennoch innige, durchaus inspirierende Verbindung, und offen für andere. Die Klarinette ist ein Leihinstrument der Hochschule. Und ich spiele auch gerne auf fremden Bassklarinetten. Und auf Bassetthörnern!
Am Ende dieses Gedankengangs habe ich kurz überlegt, Tinder zu installieren, nur um mich mal eben menschlich zu erden. (War mir dann aber doch zu #unnerum.) Allerdings spiele ich immernoch mit dem Gedanken, bei der nächsten Domian-Fetisch-Themensendung anzurufen und davon zu erzählen. Polyamorie ist ja gerade sowieso in Mode. Aber objektophil-polyamore Beziehungen sind mir auch in meinem jahrelangen Domian-Nachhören am Frühstückstisch nicht untergekommen.
Im seltsamen Völkchen der Musiker bin ich allerdings offensichtlich nicht die Einzige mit gewöhnungsbedürftigen Neigungen: Habt ihr euch schon mal gefragt, warum der Garrett ÜBERALL mit seiner Geige aufkreuzt? (Genau – in den Einladungen stand irgendwas wie „plus eins erwünscht“. Übrigens hat der gute Mann seine letzte Trennung auf eine ganz perfide Weise gelöst: Mord. „Gestolpert“ – nice try!)
Der Klarinettist Jörg Widmann schwafelt für BRKlassik sogar etwas von „Erogener Zone Klarinettenblatt“. (Jaja, und ihr dachtet schon, ICH wäre infantil und hätte Schmuddel im Kopf.) Und die Mudda (aka. Anne-Sophie Mutter) nimmt ihre Geige sogar mit in den Club, und dazu noch viele leicht bekleidete und besonders begabte “Studierende”.
Das Ganze erklärt mir gerade auch die oftmals herrschende Selbstverliebtheit der Sänger. Alles ein großer Irrtum – sie sind garnicht selbstverliebt. Sie haben nur eine objektophile Beziehung zu etwas, das blöderweise bereits in ihnen steckt. Dumm gelaufen.
Bevor ich mich nun im Real-Life endgültig bei allen Männern ins Aus schieße: Bei Dates lasse ich ALLE Instrumente zu Hause. Die Klarinetten dürfen nicht mit in mein Bett, und ich mache auch den Koffer anständig zu, bevor sich jemand beobachtet fühlt. (Nur…denkt dran, Jungs: BASS-Klarinette!)
Und zum Schluss: Das, worauf hier alle gewartet haben.
Ich kann als erster durch die Autorin geschädigter ex-Liebhaber bestätigen, mich immer hinter den Instrumenten in zweiter Reihe einordnen zu müssen… Nach ihrer Entscheidung gegen mich fühle ich mich liegengelassen und doch frei, also bitte liebe Musiker: pflanzt euch untereinander fort und zieht nicht hilflose, treudoofe Außenstehende in euren zu 100% ausgeplanten und mies bezahlten Alltag hinein, wenn ihr quasi schon vergeben seid… das ist nicht fair uns gegenüber… Ich kann auch weder tanzen noch Triolen klopfen, aber ist das so wichtig wenn man damit beschäftigt ist die echte Welt am Laufen zu halten?